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Wichtig dabei ist, dass man ein klares Bild von sich selbst entwerfen kann. Dieses Bild sollte realistisch, authentisch und zumindest bis zu einem gewissen Grad verwirklichbar sein. Ferner ist darauf zu achten, dass es nicht starr, sondern flexibel ist und gegebenenfalls völlig verändert werden kann. Folgt man mit grosser Strebsamkeit einem Leitbild, besteht die Gefahr, für neue und andere Inspirationen "dicht" zu werden. Man kann auch eingebildet werden und sich für etwas Besseres halten, wenn das Ziel erreicht ist. Manche Menschen finden es schwierig, ein Leitbild zu formulieren und ziehen es vor, das höhere Selbst (3) auf passive Weise über Empfänglichkeit und Hingabe zu erreichen. Sie möchten ihr Leben ganz durch den Willen Gottes leiten lassen. Hinter dieser Haltung kann aber auch Angst stecken, die Angst etwas Falsches zu machen oder zu Straucheln. Die passive Methode ist jedoch auch nicht ohne Risiken. Es besteht sogar die Wahrscheinlichkeit, gewisse Impulse als Intuition und höhere Eingebungen zu akzeptieren, die in Wirklichkeit durch unbewusste Kräfte und Bedürfnisse bestimmt sind, welche der passiven Haltung entspringen. Es ist also bei beiden Methoden ratsam, wachsam zu sein. Reiki verbindet diese beiden konträren Methoden auf wunderbare Weise. Der spirituelle Aspekt lädt uns ein, durch das Praktizieren Empfänglichkeit und Hingabe zu üben und so dem Höheren Selbst zu erlauben uns immer mehr und tiefer zu durchdringen. Der weltliche Aspekt, die Form des USUI-Systems ist ein Konzept, mit Leitbild-Charakter. Es ist ein Werkzeug, über welches die spirituelle Energie in der Materie Fuss fassen kann. Für viele Menschen haben die Reiki-Grade eine Art Leitbildfunktion. Sie verkörpern Etappenziele mit denen man sich identifizieren kann (der Heiler, der Lehrer, der Meister). Diese Ziele können hilfreich sein, solange sie ausserhalb von uns sind und uns zur Ausbildung wünschenswerter Fähigkeiten motivieren. Bei der Ännäherung an das Idealbild muss man jedoch aufpassen, dass es sich nicht nach innen richtet und der Einbildung dient.Fragen: Nutze ich meine schöpferischen Fähigkeiten gebührend und verwende kraftvolle Leitbilder auf dem Weg meiner Verwirklichung? Sind meine Leitbilder authentisch, realistisch und flexibel genug? Bin ich noch empfänglich für neue andere Inspirationen? Bin ich zu passiv in meiner Entwicklung und setzte mir selbst keine Ziele? Habe ich Angst davor Leitbilder zu benutzen und Verantwortung für die Gestaltung meines Lebens zu übernehmen? Welcher Aspekt von Reiki hat mich ursprünglich mehr angezogen und wie verhält es sich jetzt? Bin ich frei von Einbildung geblieben?
Wenn Leitbilder für das Individuum von Nutzen sein können, sollten wir dann nicht doch möglichst bald die alten zerfallenden Wertvorstellungen durch neue gemeinsame Leitbilder ersetzen? Wir könnten so der Zukunft eine gewünschte Richtung zu geben und sie aktiv mitgestalten. Ich glaube sogar, dass die heutige Zeit mit ihren Herausforderungen u. a. genau dazu da ist, unsere schöpferischen Fähigkeiten vermehrt einzusetzen. Es gibt hier jedoch etwas zu beachten, das zunächst noch näher definiert werden muss. Hierzu unterscheide ich zwischen Leitbild und Vision. Leitbilder definiere ich als ein sprachlich formulierte und kommunizierbare Konzepte. Sie sind nicht abstrakt, sondern konkret. Es kann ihnen zwar eine Vision zugrunde liegen, deren spezielle Qualität jedoch durch die konkrete sprachliche Formulierung verloren geht. Leitbilder werden oft auch ohne Vision formuliert. Der Verstand analysiert die Vorgänge anhand der aktuellen Situation und macht eine lineare Projektion in die Zukunft. Er arbeitet ein Konzept aus, um ein gewünschtes Ideal oder Ziel zu erreichen. Für kurzfristige Aufgaben ist das sehr zweckdienlich. Je konkreter das Konzept, desto brauchbarer ist es für die praktische Umsetzung. Bei mittel- oder langfristigen Zielen sollte man aber vorsichtig sein. Dem Verstand fehlt es an der übergeordneten Sicht. Er strebt auf dem kürzesten Weg seinem Ziel zu und sieht nicht, dass sich in anderer Richtung von selbst eine Öffnung auftut. Er arbeitet nach seinen Gesichtspunkten und nutzt die höheren Möglichkeiten nicht (siehe Skizze). Man kann es auch so ausdrücken: die Vision bezieht sich im Unterschied zum Leitbild auf eine andere Dimension. Sie kommt von "oben/innen", das Leitbild von "unten/außen". Ein einzelner Mensch kann mit seiner Vision in Verbindung sein, ohne sie zu einem konkreten Leitbild zu formulieren. Er kann sich darin üben, die feinen Impulse vom Höheren Selbst, wahrzunehmen, die ihn seiner Vision näherbringen. Bei einem gemeinsamen Leitbild wird die sprachliche Beschreibung zwingend. Es muss eine gewisse Festlegung stattfinden, die wiederum konzeptionell ist und Trägheit gegenüber Anpassungen oder Korrekturen aufweist. Leitbilder können Menschen mit ähnlichen Visionen zusammenführen und eine große Kraft entfalten. Sie haben aber auch eine Anziehung auf jene, die mit sich selbst kaum in Kontakt sind und keine Vision oder Lebensaufgabe haben. Solche Menschen klammern sich gerne an das äußere Konzept des Leitbildes und können zu fanatischen Verfechtern und Dogmatikern der Sache werden.
Die Vision ist eine Eingebung, eine Inspiration oder ein irrationaler Impuls, der aus einer Bewusstseinsebene jenseits des Verstandes kommt. Man kann sie mit einem Bild vergleichen, das jenseits von Raum und Zeit existiert und gleichzeitig mehrere Facetten aufweist. Eine Vision kann sehr klar und trotzdem kaum mit Worten fassbar sein. Sie ist eben kein Ding, das mit unserer dreidimensional strukturierten Sprache beschreibbar wäre, sondern ein multidimensionales Schwingungsmuster. Eine Vision direkt zu beschreiben, bedeutet ihre Vibration dingfest zu machen; es bedeutet, sie in die dritte Dimension hinein zu verdichten. Die Worte Dichter und Dichtung bringen dies zum Ausdruck. Ein Seher wird beim Vermitteln seiner Schau zu einem Dichter. Es gibt Wege mittels abstrakter Umschreibungen die verschiedenen Facetten einer Vision zu erhalten. Erleuchtete haben deshalb oft in Gleichnissen gesprochen. Hätten sie den Versuch unternommen, ihre Einsicht zu konkretisieren, so wäre das multidimensionale Schwingungsmuster zu einem dreidimensionalen Konzept kollabiert. Die Ursachen hierfür liegen in unserem Verstand und der dreidimensionalen raum-zeitlichen Hintergrundstruktur unserer Sprache. In der Quantenphysik findet sich eine interessante Analogie zu diesem Verdichtungsakt. Will der Physiker feststellen, wo sich ein subatomares Teilchen befindet, muss er es über eine Messung "dingfest" machen. Vor der Messung existiert das "Teilchen" als multidimensionales Schwingungsmuster, das mathematisch als Wahrscheinlichkeitswelle beschreibbar ist. Es ist also kein festes Partikel; seine Existenz ist wolkenhaft diffus. Erst durch die Messung kollabiert diese Vibration zu einem dreidimensionalen Faktum. Es ist, als ob der Physiker die mehrdimensionale Wirklichkeit des "Teilchens" mit seinem Messgerät und seiner Beobachtung in die dritte Dimension hinein zerrt und damit seine physische Existenz miterzeugt. Diese Tatsache hat bekanntlich das wissenschaftliche Welt- oder Leitbild erschüttert und verlangt einen umfassenden Paradigmenwechsel.
Trotz den revolutionären Erkenntnissen der Quantenphysiker, erfahren wir die Materie nach wie vor als sehr dicht und massiv. Haben sich die Physiker geirrt? Warum trifft das, was für ein einzelnes Teilchen gilt auf eine Ansammlung von vielen Atomen nicht mehr zu? Warum schmerzt mich meine große Zehe, wenn ich sie an der Türschwelle anstoße? Wie ist diese kollektive Festigkeit der Materie entstanden, wenn sie doch im Einzelnen nur dann erscheint, wenn man sie durch Konkretisierung erschafft? Liegt ihr etwa ein kollektives Leitbild zu Grunde? Warum entdeckt man gerade jetzt, wo alles im Umbruch ist, daß die Materie eine Illusion ist, wie die Mystiker schon früher behauptet hatten? Warum kommt das Thema Multidimensionalität aus allen Ecken auf uns zu (Reinkarnation, mehrdimensionale physikalische Theorien, parallele Welten, Zeitreisen, Virtual Realities usw.). Kann es sein, dass dies Anzeichen sind für einen Übergang in eine neue Welt? Viele von uns wissen oder spüren, dass etwas Altes zu Ende geht und etwas Neues kommt und es geht uns nicht nur gut damit. Es ist manchmal, als ob man sich zwischen zwei Welten befindet. Fragen: Was kann ich tun, um die Transformation zu unterstützen? Warum bin ich gerade jetzt hier? Was ist meine Aufgabe? Wie finde ich zu meiner Vision?
Die Visionssuche war bei vielen Indianerstämmen üblich. Für Männer war sie sogar obligatorisch. Um den Empfang einer Vision zu begünstigen, bereitet man sich - wie es Usui einst tat - entsprechend vor. Man reinigt sich durch Fasten und Gebet, geht in die Einsamkeit an einen heiligen Ort und bittet Gott, das Höhere Selbst oder den Großen Geist um eine Eingebung. Es kann sein, dass nichts passiert und man es zu einem anderen Zeitpunkt nochmals versuchen muss. Die jungen Indianer teilten ihre Vision dem Ältesten mit, der ihnen bei der Deutung half. Wir sollten uns darüber im klaren sein, dass die Sprache der Indianer eine komplett andere Struktur hatte. Von der Hopi Sprache ist mir bekannt, dass sie z. B. keine lineare Zeit kennt und praktisch keine Substantive verwendet. Es ist keine Objekt- sondern eine Prozesssprache, welche die Welt in "manifest Gewordenes" und "in Manifestation Befindendes" unterteilt. Das "Ich" verändert sich dabei stets und fließt mit dem Prozess mit. Wenn man seine Vision in einer Indianersprache erzählt, wird sie dadurch nicht in ein dreidimensionales Korsett gezwängt. Die Zeitqualität ist chaotisch geworden. Wir wissen nicht wo es hingeht und ob unsere konzeptionellen Leitbilder in einigen Jahren noch adäquat sind. Die Vision hingegen ist multidimensional und zeitlos. Sie kann gerade jetzt eine wertvolle Hilfe sein, den richtigen Platz im "Großen Plan" zu finden. Wenn wir uns auf die Suche begeben, sollten wir daran denken, die Vision so zu lassen, wie wir sie empfangen haben. Wir sollten vorsichtig mit der Deutung sein und vielleicht sogar darauf verzichten darüber zu sprechen. Wir können die Vision für uns bewahren und einfach durch die Erinnerung wirken lassen. Sie wird dadurch ihre volle multidimensionale Kraft behalten und zur richtigen Zeit auf die effizienteste Weise in unserem Leben Fuss fassen. Fragen: Habe ich meine Vision gefunden? Habe ich das Gefühl mit meiner jetzigen Aufgabe am richtigen Platz zu sein? Ist es Zeit für mich, (erneut) auf Visionssuche zu gehen?Ich glaube, dass wir Teil einer grossen Transformation sind, bei der es darum geht, das alte Weltbild der Trennung hinter uns zu lassen und Multidimensionalität zu realisieren. Irgendwie tragen wir dieses Bild als gemeinsame Vision tief in uns, aber wir können es nicht zu einem Leitbild formulieren, das ihm gerecht würde. Jede Beschreibung könnte stets nur bestimmte Aspekte skizzieren. Es gäbe Widersprüche, die Diskussionen und Kämpfe verursachen könnten, die letztlich wie die Religionskriege genau das Gegenteil von dem bewirken, was im Sinne der Vision war. Vielleicht ist der Zerfall der alten kollektiven Leitbilder und der Mangel an Neuen eine grosse Chance, die Transformation erfolgreich zu vollziehen. Die Situation fordert den Einzelnen auf, statt einem Leitbild anzuhängen, seine eigene Vision zu suchen. Tut er dies, kommt er seiner eigentlichen Bestimmung näher und realisiert gleichzeitig ein Stück Multidimensionalität. Die Wirklichkeit und wir selbst hatten schon immer mehr als drei Dimensionen. Wir werden unser wahres Potential in dem Masse realisieren, wie es uns gelingt begrenzende Konzepte abzulegen bzw. sie nur noch dort einzusetzen, wo sie hilfreich sind. Haben wir den Mut und das Vertrauen dazu, werden wir zur rechten Zeit bekommen, was wir zur Umsetzung der Vision brauchen. Es wird nicht mehr und nicht weniger sein und oft auf völlig unvorstellbare Weise zu uns kommen. Trotz oder gerade wegen der individuellen Visionssuche werden auch viele Begegnungen stattfinden, um gemeinsame Projekte zu verwirklichen.
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